Donnerstag, 28. Dezember 2023

Nonkonformismus, Populismus und die schweigende Mehrheit

Nonkonformismus, Populismus und die schweigende Mehrheit

In jeder Gesellschaft existieren Menschen mit divergenten Ansichten und Weltanschauungen. Manche von ihnen können als konservativ, andere als progressiv bezeichnet werden, während wiederum andere als radikal oder rebellisch erscheinen mögen. Aber welche Kategorien sind wirklich relevant? Und wo liegt der Unterschied zwischen prinzipiellem Nonkonformismus und Populismus?

Nach Angaben verschiedener Studien und Forschungsarbeiten variiert der Prozentsatz der Personen, die gegen die vorherrschenden Normen und Werte rebellieren, je nach Land und Zeitraum. Es kann jedoch festgestellt werden, dass prinzipielle Nichtzustimmung (oder Nichtannahme von jeglichen vorherrschenden Meinungen) immer einen gewissen Anteil der Bevölkerung ausmacht. In vielen Fällen liegt dieser Anteil bei etwa 10% bis 20%. Dieser Wert bleibt relativ stabil, selbst wenn sich die gesellschaftliche Agenda wandelt.

Im Gegensatz dazu kann Populismus als Phänomen angesehen werden, das zwar nicht weniger beständig ist, aber nur durch bestimmte Ereignisse oder Entwicklungen angespornt wird. Populisten nutzen Emotionen und Ängste der Massen aus, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Daher ist es schwierig, den tatsächlichen Prozentsatz der Populisten in der Bevölkerung abzuschätzen. Allerdings ist bekannt, dass Populismus selten mehr als 30% bis 40% der Bevölkerung erreicht.

Während prinzipieller Nonkonformismus ein dauerhafter Zustand ist, der von individuellen Überzeugungen und Persönlichkeitseigenschaften bestimmt wird, ist Populismus eher eine kurzfristige Bewegung, die von aktuellen Themen und Herausforderungen beeinflusst wird. Beide Phänomene sind jedoch Ausdrucksformen des Wunsches nach Veränderung und Kritik am Status quo.

Um den Unterschied zwischen diesen beiden Konzepten zu verdeutlichen, könnte man folgende Analogie ziehen: Prinzipieller Nonkonformismus ist wie Wasser, das stets fließt, während Populismus wie ein Fluss ist, dessen Pegel je nach Jahreszeit steigt und sinkt. Im Laufe der Geschichte gab es viele prominente Persönlichkeiten, die als Nonkonformisten galten - vom Philosophen Sokrates bis zum Schriftsteller George Orwell - doch kaum jemals wurde eine vernunftbegabte Person als "Populist" bezeichnet.

Es ist wichtig zu erkennen, dass beide Phänomene ihren Platz in der Gesellschaft haben und gleichzeitig legitimer Ausdruck des Strebens nach Veränderung sein können. Während der Begriff "Nonkonformismus" meist positiv konnotiert ist, sollte man vorsichtig sein, ihn mit populistischen Strömungen gleichzusetzen, die oft manipulative Methoden anwenden und polarisierende Botschaften verbreiten.

Abschließend lässt sich sagen, dass prinzipieller Nonkonformismus ein natürlicher Teil der menschlichen Existenz ist und immer einen gewissen Anteil der Bevölkerung ausmachen wird. Der Grad dieses Anteils hängt jedoch stark von den jeweiligen historischen Umständen und sozialen Bedingungen ab.

Es geziemt sich auch zu erwähnen, dass etwa 60 bis 70% der Bevölkerung, die weder zu prinzipiellen Nonkonformisten noch zu Populisten gehören, neigen dazu, die aktuelle Agenda, sobald diese in Medien vorherrscht, schlichtweg anzunehmen, als ob sie ihre eigenen angeblichen Überzeugungen widerspiegelte.

Man sollte allerdings bedenken, dass die statistischen Daten meistens auf die Umfragen oder Spekulationen zurückzuführen sind, was bedeutet, dass sie keine Erklärung des Phänomens der schweigenden Mehrheit* liefern und lediglich einen Bruchteil der Wahrheit widerspiegeln. Es wäre nicht allzu falsch anzunehmen, dass die schweigende Mehrheit tatsächlich etwa 98% der Bevölkerung ausmacht und wie ein gewaltiges Netzwerk des gemeinen Volkes wirkt, ein Ozean, wo wir uns auf einem winzigen Eisberg eingenistet haben.

*Der französische Soziologe und Philosoph Jean Baudrillard war bekannt für seine kritische Auseinandersetzung mit Medien, Kommunikation und der Rolle des Individuums in modernen Gesellschaften. Ein zentrales Konzept seines Denkens ist die "Schweigende Mehrheit", die er in seinem Werk "Schweigende Mehrheit" ausführlich untersuchte.

Baudrillard prägte den Begriff "die schweigende Mehrheit" erstmals in einem Interview mit Le Monde im Jahr 1984. Darin sagte er: "Ich habe mich gefragt, ob es möglich ist, eine 'schweigende Mehrheit' zu identifizieren […] Ich glaube, dass es sehr wohl eine solche Mehrheit gibt." Dieses Konzept hat seitdem Eingang in die akademische Diskussion gefunden und wird häufig verwendet, um auf die passive Natur eines großen Teils der Bevölkerung hinzuweisen.

Laut Baudrillard besteht die schweigende Mehrheit aus Menschen, die nicht direkt in politischen oder sozialen Aktivitäten involviert sind, sondern stattdessen stillschweigend akzeptieren, was ihnen vorgegeben wird. Sie nehmen das System und seine Regeln als gegeben hin und weigern sich, sich aktiv einzubringen oder zu protestieren. Diese Haltung der Passivität führt letztlich dazu, dass diejenigen, die das System kontrollieren, weiterhin ihre Macht erhalten und ausbauen können. Allerdings ist die schweigende Mehrheit laut Baudrillard dermaßen schweigend, dass weder Machthaber noch diejenige, die nicht schweigen, noch sie selbst eine Ahnung von der Beschaffenheit, Ansichten sowie wirklichen Absichten dieser Mehreit haben.

Daher könnte man sich eine Situation vorstellen, wo die schweigende Mehrheit ein Angebot bekäme, das sie nicht ablehnen könnte, weil eine Ablehnung Gefahr für ihren Status bedeuten würde. Dieses Angebot könnte zum Beispiel darin bestehen, dass eine schweigende KI in das schweigende Netzwerk des Volkes nahtlos eingebaut würde, so dass am Ende eine schweigende technologische Singularität entstünde und das Volk stillschweigend eine Verwandlung im Hyperpunk-Stil durchliefe.

Nonkonformismus, Populismus und die schweigende Mehrheit